Die Polizei in Brandenburg steht vor harten Einschnitten: Kommission präsentiert Vorschläge

POLIZEI: Büro-Funkwagen statt Wache

08.07.2010, 20:58 Uhr | MAZ/igo

Wenigstens das Landespolizeiorchester Brandenburg blieb verschont. Jedenfalls weitgehend. „Ich bin stolz auf das Orchester“, bekannte gestern ausdrücklich Innenminister Rainer Speer (SPD). Die von ihm eingesetzte Expertenkommission, die gestern ihre Vorschläge für eine radikale Polizeireform präsentierte, war in diesem Punkt relativ gnädig. Das renommierte Ensemble aus 45 Berufsmusikern muss sich am Sparen beteiligen und bis 2020 fünf Stellen abbauen.

So gut kamen andere Bereiche der brandenburgischen Polizei nicht weg. In dem 67 Seiten umfassenden Bericht wird die komplette Polizei einer Revision unterzogen und werden Vorschläge für eine neue Struktur unterbreitet. Ausgangsgröße war eine von Speer im Vorfeld vorgegebene „politische“ Zielzahl: Bis zum Jahr 2020 soll es nur noch 7000 Polizei-Stellen geben. Das bedeutet einen Abbau um rund 1900 Stellen.

Um diese zu erreichen, soll die Organisation „gestrafft“ werden, wie Kommissionschef Hartmut Bosch erläuterte. Die beiden Polizeipräsidien in Potsdam und Frankfurt (Oder) sollen demnach mit dem Landeskriminalamt und der Landeseinsatzeinheit zu einem Präsidium fusioniert werden. Die bisherigen 15 Schutzbereiche würden zu vier Polizeidirektionen zusammengefasst. Die Zahl der jetzt 50 Wachen, die 24 Stunden besetzt sind, sollen auf „15 plus X” reduziert werden, erklärte Bosch, der Anfang der 90er Jahre in Brandenburg Polizei-Abteilungsleiter war und später in Schwerin Innenstaatssekretär wurde. Das bedeutet, dass es künftig nur noch eine Polizeiwache in jedem der heutigen Schutzbereiche gibt. Damit sollen rund 400 Bedienstete eingespart werden. „Weniger Wachen spart Führungspersonal“, sagte Bosch. Das „plus X“ beziehe sich auf Ausnahmefälle, die ausschließlich polizeitaktischer Natur seien. Als Beispiel wird eine mögliche zusätzliche Polizeiwache in Schönefeld wegen des neuen BBI-Flughafens genannt.

Auch künftig soll der Revierpolizist Ansprechpartner der Bürger sein und beispielsweise Anzeigen aufnehmen, betonte Minister Speer. Um den Wegfall von Wachen zu kompensieren, soll der Beamte in Zukunft noch häufiger etwa beim Bürgermeister einer Kommune ein Büro haben. Dazu kommen „mobile Büros”, sogenannte „interaktive Funkstreifenwagen“. Um in der Fläche Anfahrtszeiten zu verkürzen, könnte ein Netz von Posten eingerichtet werden, wo Streifenwagen und Polizeiausrüstung bis hin zu Waffen untergebracht sind.

Die größten Einsparungen soll es in Stabs- und Führungsstellen geben. Von jetzt rund 1000 Stellen sollen 439 Stellen abgebaut werden (minus 44 Prozent). Bei der Prävention sollen 42 Stellen wegfallen (minus 37 Prozent), bei der Bereitschaftspolizei 133 Stellen (minus 22 Prozent) und der Kriminalpolizei 455 Stellen (minus 21 Prozent).

Speer will im September dem Landtag einen Bericht erstatten. Frühestens im Spätherbst, so Speer, sollen alle Standortfragen entschieden werden – also auch, welche Wachen geschlossen werden. Die gesetzlichen Grundlagen für die Reform sollen bis Anfang 2011 geschaffen sein.

Bosch betonte, die Interventionszeiten, also wann die Polizei vor Ort sein kann, würden mit der Reform nicht beeinträchtigt. Dafür sei es aber nötig, dass viele Polizeifahrzeuge im Lande unterwegs seien. Möglichst nicht angetastet werden soll der Streifendienst (rund 1800 Stellen) mit rund 60 bis 180 Fahrzeugen.

Kritik an den Reformplänen:

Die Gewerkschaften äußerten scharfe Kritik an der geplanten Strukturreform. Der Bürger werde die Einschnitte deutlich spüren, erklärte der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Andreas Schuster. So würden sich die Wege verlängern und weniger Beamte in der Fläche anzutreffen sein.

Der Landeschef des Bundes der Kriminalbeamten (BDK), Wolfgang Bauch, sprach von einer „Quadratur des Kreises” zulasten der Sicherheit und von „erheblichen Risiken für die Kriminalitätsbekämpfung“.

Bereits jetzt arbeiten Wach- und Wechseldienst der Schutzpolizei und die Ermittler und Techniker der Kriminalpolizei am Leistungslimit.

Auch die Opposition im Landtag attackierte die Pläne – allerdings mit unterschiedlichen Akzenten. Die CDU-Abgeordneten Sven Petke und Björn Lakenmacher nannten die Vorschläge unverhältnismäßig. Sie seien ein Ergebnis politischen Wunschdenkens und eine Gefahr für die Sicherheit der Bürger.

FDP-Fraktionschef Hans-Peter Goetz sprach wegen der geplanten Wachenschließungen von einem Anschlag auf den ländlichen Raum.

Als „vernünftig“ bezeichnete hingegen der grüne Fraktionschef Axel Vogel die Vorschläge. Er kritisierte aber die Zielvorgabe zur Streichung von 1900 Stellen als willkürlich.
aktualisiert von Bjoern Lakenmacher, 08.07.2010, 21:24 Uhr